An der ► Bergischen Universität Wuppertal fand am 16. und 17. März 2023 die wissenschaftliche Tagung "Governance in Wissenschaftsorganisationen – Konstruktiver Umgang mit Konflikten und Vorwürfen" statt. ► Inge Bell nahm an der Paneldiskussion teil und hielt den Impulsvortrag "Alles Zicken oder was?! Warum es Fairness für Frauen und mutige Männer braucht. Lösungsansätze für ein sicheres Miteinander in der Wissenschaft."
Inge Bell über die starke, hochkarätige und lösungsfokussierte Konferenz:
"Governance in Wissenschaftsorganisationen – Konstruktiver Umgang mit Konflikten und Vorwürfen". Zwei intensive Tage letzte Woche an der Bergische Universität Wuppertal. Auch ich nahm am ersten Tag an der Paneldiskussion zum Problemfeld Mobbing und Diskriminierung teil - und hielt am zweiten Tag beim Thema Lösungen meinen Impulsvortrag "Alles Zicken oder was?! Warum es Fairness für Frauen und mutige Männer braucht. Lösungsansätze für ein sicheres Miteinander in der Wissenschaft."
Wissenschaftsorganisationen sind hierarchisch geprägte Männerdomänen, immer noch. Zumindest auf den Führungsetagen. Frauen in Führung haben es also doppelt schwer, das machte ich auch in meinem Vortrag sehr deutlich, so wie auch die anderen Vortragenden: Frauen haben ohnehin Exotinnen-Status, sind also quasi "Fremdkörper im Feudalsystem Wissenschaft" allein aufgrund ihres Frau-Seins. Und man erwartet von ihnen außerdem das, was man von allen Frauen erwartet: Empathie, Nett-Sein, Zugewandt-Sein. Doch was, wenn sie es nicht sind, wenn sie ganz einfach dieselben Führungs-, Kommunikations- und Konfliktstile an den Tag legen, wie wir sie von Männern kennen und erwarten? Dann mutieren sie plötzlich in der Außenwahrnehmung gefühlt zu Zicken, Furien, Monstern. Was ich hier etwas überspitzt ausdrücke, ist in den spektakulären Medienberichterstattungs-Fällen der letzten Jahre nachzulesen - und deckt sich mit meiner Erfahrung bei der Beratung im Wissenschaftsbereich -, wo hochkarätige Führungsfrauen der Max Planck Society und anderen Wissenschaftsorganisationen geschasst wurden - letztlich wegen nicht nachvollziehbaren und super-geheimgehaltenen Vorwürfen, die sich allerdings oft als banale "Luftnummern" entpuppten, aber ein Forscherinnenleben schwer beeinträchtigen. Weil auch Aufklärungs-, Ombuds- oder Mediationsmechanismen nicht existent oder mangelhaft waren, also das Lösungssystem schlicht versagt hat. Das darf nicht sein.
Deshalb waren sich die Expertinnen und Experten auf der Tagung einig:
- Es braucht verlässliche interne Verfahren, die alle Mitglieder der Wissenschaftsorganisationen vor Mobbing und Belästigung schützen und gleichzeitig Fairness und Transparenz gegenüber allen beteiligten Parteien gewährleisten.
- Und: man kann hier deutlich von der Wirtschaft lernen!
Wie die Wissenschaft von der Wirtschaft lernen kann - dazu sprachen Thomas Sattelberger (der in seiner Zeit als CEO Deutsche Telekom AG die Frauenquote von 30% eingeführt hatte), Hauke Paasch (CFO Vorwerk) und ich (Advisor bei Inge Bell Consulting für Equity & Diversity) aus unserer eigenen Erfahrung.
"Die Wirtschaft ist sehr viel moralisierter als die Wissenschaft", sagte Sattelberger und betonte, wie wichtig es sei, an der Kultur der Organisation oder Institution zu arbeiten, vor allem an der Feedback-Kultur und an handfest erlernter Führungskompetenz. Schließlich ist das keinem Forschenden in die Wiege gelegt.
Sehr richtig auch der Appell von Vorwerk-CFO Hauke Paasch, der stark auf Diversity und Antidiskriminierung im Unternehmen setzt und aus Erfahrung warnt: „Packen Sie nicht alle Themen in einen Prozess. Diversity ist nicht Compliance.“ Gerade zwischenmenschlich Heikles darf nicht über-strukturiert werden.
Ich selbst sprach aus meiner Erfahrung als Externe Diversity Advisor in der Wirtschaft und Female Leadership Coach in der Wissenschaft.
Mein Fazit und Forderung:
Von innen allein sind Misstände und unzeitgemäße "Kulturen" nicht zu ändern - wie sie leider noch in verkrusteten Unternehmen und auch in vielen Wissenschaftsorganisationen und Hochschulen herrschen - es braucht auch unbedingt den Hebel von außen. Immer.
Es braucht niedrigschwellige Anlaufstellen, wirklich gut ausgebildete und kontinuierlich sicht- und erlebbare Vertrauensleute - denn nur eine Whistleblower Hotline oder ein Governance Kodex genügen nicht -, ebenso wie unabhängige Klärungskommissionen ohne Interessenskonflikte und Ombudsleute mit echt guter Spezialausbildung.
Es braucht also - wie ich es nenne - "organisiertes Vertrauen". Und es braucht das Prinzip des Archimedes: "Gib mir einen festen Punkt und ich hebe die Erde aus den Angeln." Es braucht - zusammen mit der internen - die externe Instanz. Immer.
Und es braucht mutige Männer, damit es Fairness für Frauen geben kann. In der Wissenschaft wie im Leben.
Einen großen Dank an die Bergische Universität Wuppertal und an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich dieses komplexen und wichtigen Themas angenommen haben!
Impressionen von der Tagung
Die weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren:
- Dr. Heide Ahrens (Generalsekretärin, DFG-Vorstand)
- Professorin Dr. Ulrike Beisiegel (Universität Göttingen)
- Elizaveta Bobkova (Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Marburg)
- Professorin Dr. Nicole Boivin (Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, Jena)
- Kerstin Dübner-Gee (Personalentwicklung & Chancen, Max-Planck-Gesellschaft MPG)
- Professor Dr. Oliver Günther (Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Präsident der Universität Potsdam)
- Kristin Haug (DER SPIEGEL)
- Professor Dr. Sascha Herms (Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), Berlin )
- Prof. Dr. Carola Jungwirth (Universität Passau)
- Professor Dr. Ursula Keller (Institut für Quantenelektronik (ETH), Zürich
- Professor Bernhard Kempen (Deutscher Hochschulverband (DHV), Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht, Universität zu Köln)
- Katharina Kleinlein (H&Z Management Consulting, München)
- Prof. Dr. Thomas Krieg (Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, Universität zu Köln)
- Hang Liu (Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung, Bad Nauheim)
- Hauke Paasch (CFO der Vorwerk Gruppe, Wuppertal)
- Dr. Maike Reimer (Bayerisches Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF), München)
- Dr. Nicholas Russell (Max- Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung, Köln)
- Dr. Norbert Sack (Leadership Advisors for Academia, Berlin)
- Dr. h.c. Thomas Sattelberger (Parlamentarischer Staatssekretär a.D.)
- Professor Dr. Eric Steinhauer (Gremium „Ombudsman für die Wissenschaft“)
- Professorin Dr. Isabell Welpe (Bayerisches Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF), München)
- Prof. Dr. Birgitta Wolff (Rektorin, Bergische Universität Wuppertal (BUW), Wuppertal)